C. T. Moritz

Wer war C. T. Moritz?

Auf den Titelblättern der zwischen etwa 1810 und 1822 bei Breitkopf & Härtel, C. F. Peters oder bei E. H. G. Christiani, Berlin, veröffentlichten Moritz’schen Kompositionen und auch in sämtlichen seinerzeit erschienenen Rezensionen finden sich immer nur die Initialen „C. T.“ . Lange fragten wir uns, wofür sie stehen: für Carl Theodor, Conrad Traugott, Cæcilie Tesla oder ...?

 

Spurensuche:
Das Brockhaus-Conversations-Lexikon von 1822 nennt auf S. 702 unter „Componisten (die berühmtesten der jetzt lebenden)“ im Abschnitt „Liedercomponisten“ neben beispielsweise Beethoven, Spohr, Weber und Zelter auch „C. T. Moritz“. [1]

 

[Anmerkung zu den Quellenhinweisen / Fußnoten: Leider haben sich in den Verlinkungen zu den Bibliotheken "Verschiebungen" ergeben (soll heißen: Verlinkungen laufen ins Nichts), so dass wir bitten, Quellen ggf. über die Wikipedia-Seite C. T. Moritz aufzusuchen. 31.10.2021]

 

François-Joseph Fétis schreibt in seiner Biographie universelle des musiciens [2] auf S. 201 über „MORITZ (C.-T.), pianiste et compositeur allemand de l’époque actuelle (1850)“, dass man von ihm nur aufgrund seiner veröffentlichten Werke etwas wisse („n’est connu que par les ouvrages qu’il a publiés“).

 

Robert Eitner vermerkt in seinem Biographisch-Bibliographischen Quellen-Lexikon 1959 im Bd. 7 auf S. 66 [3]: „Moritz, C. T., ein Komponist am Ende des 18. und Anfange des 19. Jhs, bekannt durch: Grande Sonate concertante p. le Pianoforte et la Flûte. oe. 8. Lips., Peters“.

 

In der „musikalischen Beylage Nr. II“ [4] der Allgemeinen musikalischen Zeitung (nachfolgend: AmZ) erschienen im Februar 1812 (Sp. 115, 116) „zwey Lieder aus einer ziemlich reichen und sehr mannigfaltigen Sammlung des Herrn geheim[en] Cabinets-Secret[ärs] C. T. Moritz in Berlin“. Und zwei Jahre später, im Juni 1814, ist ein weiteres Mal vom „H[er]rn geh[eimen] Secretär Moritz in Berlin“ die Rede. [5]

 

Das Berliner Adressbuch [6] von 1818/19 verzeichnet einen Hofrath „Moritz, Carl Theodor“ in der Berliner Friedrichstadt, Krausenstraße 47 (heute Berlin-Mitte). Nur dieser erste Eintrag nennt beide Vornamen. Die folgenden Adressbücher geben lediglich die Initiale „C.“ an, ab 1823 dann mit dem Zusatz „Finanzrath bei der General-Salz-Direktion“. 1826 lautet die Adresse Behrenstr. 53 und 1833 schließlich Schützenstr. 3. Der Eintrag von 1835 bezeichnet Moritz als „pens[ionierten] Geh[eimen] Finanz-Rath“. Und ab dem Adressbuch von 1836 steht unter dem Namen Moritz nur noch der dann bis 1850 gleichbleibende Eintrag „– geb. Grathenow, Finanz-R[ats-]W[it]w[e]“.

 

Im Kirchenbuch der Jerusalemkirche (Berlin) scheint sein Strebedatum vermerkt zu sein: 11. Dezember 1834 (Beerdigungen Nr. 567/1834) – so jedenfalls lautet eine Ergänzung von 2018 im Moritz-Artikel in der Wikipedia.

 

Sollte Moritz 1834, kurz vor seinem Tod, aus Altersgründen pensioniert worden sein, dürfte sein Geburtsjahr um 1770 liegen.

 

2016 erwähnt Anke Sieber [7] in ihrer umfangreichen Biografie über den Pianisten Franz Lauska (1764–1825), dass der „unbekannte Carl Theodor Moritz“ seine Klaviersonate op. 14 Lauska gewidmet habe, und führt dabei in einer Fußnote (auf S. 247) Moritz' Geburtsjahr an: 1772 – allerdings ohne weitere Quellenangabe.

 

In der AmZ April 1813 heißt es in einer Rezension seines op. 5 [8] Dreyzehn Lieder und Gesänge mit Begleitung des Pianoforte (S. 272): „Der Verf[asser] ist ein Mann von Kenntnissen und gebildetem Geschmack, kein Musiker von Profession, auch in der Kunstschule zu früh aus Prima entwischt; ein Mann, der sehr gut singt, auch gut Klavier spielt, doch schwerlich als Virtuos, wahrscheinlich in Berlin lebt, und ganz gewiss noch gar manches Musikalische schreiben wird, das Beyfall findet.“ Diese blumige Charakterisierung wird kurioserweise sofort relativiert, wenn nicht gänzlich wieder aufgehoben, indem es weiter heißt: „Das alles behauptet Rec[ensent] ungescheut, ohne Hrn. M. im allergeringsten zu kennen, oder auch über ihn nur im Mindesten unterrichtet zu seyn, ausser eben, dass er die angeführten Lieder geschrieben habe.“ Der vollständige Titel der rezensierten Liedersammlung lautet: „Dreizehn Lieder und Gesaenge mit Begleitung des Pianoforte in Musik gesetzt und der würdigen deutschen Künstlerin Friederike Bethmann achtungsvoll zugeeignet von C. T. Moritz / Fünftes Werk“.

 

Übersichten (alle Anfang des 19. Jahrhunderts erschienen) über veröffentlichte Musikalien erwähnen wiederholt Lieder von C. T. Moritz. In der bereits genannten „musikalischen Beylage Nr. II“ [4] heißt es: „Schon diese zwey kleinern Stücke können beweisen, dass der Componist treffliche und wenig bekannte Texte zu wählen wusste, und sie mit Geist, Empfindung und Geschmack in Musik zu setzen im Stande war.“

 

Neben Liedern und mehrstimmigen Gesängen veröffentlichte Moritz folgende Instrumentalkompositionen: zwei von Flöte oder Violine begleitete Klaviersonaten ( op. 2 und op. 4), eine Sonate für Klavier mit Begleitung durch Flöte (oder Violine) und Violoncello ( op. 3), zwei „große konzertante“ Sonaten für Klavier und Flöte ( op. 8 und op. 9) sowie zwei Klaviersonaten (op. 13 und 14).

 

Rezensionen der wahrscheinlich vor 1814 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig (mit den Druckplattennummern 3143, 1738 und 3163) veröffentlichten Sonaten op. 2, 3 und 4 konnten wir bislang nicht ausfindig machen. Alle drei Kompositionen hat Moritz seinem (Flöte spielenden?) Bruder gewidmet: „dédiée à son Frère W. A. Moritz“. Sind „W. A.“ vielleicht die Initialen von „Wolfgang Amadé“, und entstammen beide Brüder gar einer musikbegeisterten Familie? Denn „Carl Theodor“ waren auch die Namen des musikliebhabenden (und Flöte spielenden) pfälzischen Landesherrn, der ab 1742 als „Karl IV.“ Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz war, ab 1777 dann als „Karl II.“ auch Kurfürst von Bayern (und Auftraggeber von Mozarts Idomeneo).

 

Der italienische Flötist Daniele Tonini vertritt im Vorwort zur Flöten-Sonate op. 8, die er 2010 neu herausgegeben hat [9], eine andere Theorie: Er meint, in den Sonaten op. 2, 3 und 4 als konstanten Bezugspunkt („costante punto di riferimento“) Mozart erkennen zu können und hält es keinesfalls für unwahrscheinlich, dass sich Moritz mit dieser Widmung durch einen auf lautlicher Ähnlichkeit beruhenden Scherz auf W. A. Mozart bezieht („una dedica nella quale, in un gioco di assonanze, il riferimento al salisburghese non sembra certo improbabile“).

 

Die Flöten-Sonate op. 8 ist einem „Monsieur Adams, Membre de la Chapelle Royale“ gewidmet und erschien bei Peters in Leipzig (Druckplattennummer 1151), vermutlich 1814. Das Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode (nachfolgend: Journal) brachte 1815 die Notiz [10]: „Für fertige Spieler verdient die Grande Sonate concertante pour le Pianof[orte] et la Flûte comp[osée] par C. T. Moritz (O. 8 [...]) alle Empfehlung. Sie ist ungefähr in der Manier von [Johann Wilhelm] Wilms sehr schön, bündig und interessant durchgeführt, und in Hinsicht auf Harmonie und Melodie und die conzertierenden Stimmen gleich schätzbar, und den vorzüglichsten dieser Art an die Seite zu setzen. Der Flötist muß aber, um sie zu begleiten, seines Instruments ganz mächtig seyn.“

Die AmZ schrieb Ende desselben Jahres [11]: „Wir verdanken Hrn. M. mehrere schätzbare Liedersammlungen, und in diesen manches wahrhaft treffliche Stück. Wiewol nun das Lied offenbar sein eigentliches Fach zu seyn scheint: so legen doch auch seine Sonaten, sowol die frühern, bey Breitkopf und Härtel herausgekommenen, als diese hier angeführte, eine gute Kenntnis der Behandlung der Instrumente und eine Gabe angenehmer Unterhaltung dar, wie beydes Liebhabern, welche, geistig, leicht und gefällig berührt, mechanisch, munter und nicht spärlich beschäftigt seyn wollen, gewiss willkommen seyn wird. Diesen Liebhabern ist die Sonate hinlänglich beschrieben, wenn wir sagen, sie gleicht, im Sinn, in der Manier und im Effect, (auch in der etwas übermässigen Länge,) den grössern von [Daniel Gottlieb] Steibelt. Das Finale hält Ref[erent] für den gelungensten Satz: auch hat dieser [Satz] das meiste Eigenthümliche.“

Der Vergleich mit Steibelt verwundert, dessen Flötensonaten – soweit in der Staatsbibliothek zu Berlin einsehbar – doch sehr viel schlichter und mit ihren fortwährenden Akkordbrechungen und Lauffiguren eigentlich ziemlich uninteressant komponiert erscheinen...

 

Die Flöten-Sonate op. 9 (ebenfalls „Monsieur Adams“ gewidmet und 1814/1815 bei Peters veröffentlicht, Druckplattennummer 1159) wurde 1815 im Journal [12] besprochen: „Aehnlichen Beifall [wie Sigismund Neukomms Klaviersonate op. 14] verdient die in einer ähnlichen, durchaus klaren, gefälligen, und von Schwulst und Künstelei freien Manier geschriebene Grande Sonate concertante p[our] le Pianof[orte] et la Flûte, comp[osée] par C. T. Moritz (O. 9 [...]). Man wird es diesem schätzbaren Werke gewiß nicht anmerken, daß der brave Componist (in Berlin) nicht Künstler von Profession ist. [...] Alles ist in einem edlen Style mit Geschmack und Einsicht ausgeführt, und dem Instrumente angemessen. Die Begleitung mit der Flöte erfordert einen feinen und gewandten Vortrag, und so muß die Wirkung sehr vortheilhaft ausfallen.“

Zwei Jahre später, 1817, wurde dieselbe Sonate in der AmZ in wenig diplomatischem Kritikerstil unverblümt folgendermaßen rezensiert: „Gross ist in dieser Sonate nichts; aber als ein lebhaftes, angenehmes Unterhaltung[s]stück für Dilettanten, die einige Fertigkeit auf beyden Instrumenten erlangt haben, eine ziemlich reichliche, aber keineswegs schwierige Beschäftigung, und einen natürlichen Gang der Gedanken und ihrer Verbindung suchen, jedoch nicht auf Seltenes in jenen u. Tiefes in diesen ausgehen – als solches wird sie jeder erkennen. Das Adagio wird solchen Spielern um so werther seyn, wenn gleich es wol etwas zu lang ist, da man für sie selten ausgeführte Adagios schreibt, und dies sehr gefällige Melodien enthält, auch Gelegenheit zu zartem Vortrag giebt.“ [13]

 

Von 1813 bis 1823 erschienen in der AmZ und im Journal regelmäßig Rezensionen seiner Veröffentlichungen, alle allerdings lediglich mit Bezug auf die jeweils neue Komposition, nie mit weitergehenden Informationen über den Komponisten selbst. Wollte der „geheime Cabinets-Secretär“ bzw. später „Geheime Finanz-Rath“ seine Rolle als dilettierender Komponist auch „geheim“ halten und als solcher lieber unerkannt bleiben?

 

Werkverzeichnis – siehe Wikipedia!

 

 

Quellen / Links:

[1] https://books.google.de/books?id=hQxCAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=snippet&q=%22C.%20T.%20moritz%22&f=false
[2] https://books.google.de/books?id=nwcJAAAAQAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q=moritz&f=false
[3] https://archive.org/details/biographischbibl07eitn
[4] https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc1.l0067816033;view=1up;seq=72;size=175
Die Beilage selbst mit zwei Liedern von Moritz auf den darauffolgenden Seiten.
[5] https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10527964_00210.html?zoom=0.8500000000000003
Allgemeine musikalische Zeitung Band XVI (Nr. 22 vom 1. Juni 1814), Sp. 379/380 „Die musikalische Beilage No. III.“
[6] https://digital.zlb.de/viewer/image/013155997_1818/1/LOG_0003
[7] Anke Sieber: Franz Lauska. Biographie, Briefe, Werkverzeichnis. Hainholz, Göttingen 2016, ISBN 3-86988-219-0, S. 467, Fußnote 562.

[8] http://ora-web.swkk.de/digimo_online/digimo.entry?source=digimo.Digitalisat_anzeigen&a_id=3695
Faustsammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar

[9] http://swb.bsz-bw.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=358194326&INDEXSET=1
[10] http://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00122986/JLM_1815_H001_0031.tif
Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, August 1815, Jg. 30, S. 30/31
[11] https://books.google.de/books?id=9twqAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q=844&f=false
Allgemeine musikalische Zeitung Band XVII Sp. 844 (1815)

[12] https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00123050/JLM_1815_H005_0016.tif?q=moritz
[13] http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10527967_00018.html?zoom=0.6000000000000001
Allgemeine Musikalische Zeitung, Bd. IXX Sp. 20 (Nr. 1 vom 1. Januar 1817)

 

Und:
Lied „An die untergehende Sonne“
https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN824082001&amp%3BPHYSID=PHYS_0002&PHYSID=PHYS_0001&DMDID=DMDLOG_0001

 

Weitere Rezensionen:

op. 13
http://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00215130/JLM_1817_0867.tif

op. 15
Lieder mit Begleitung des Pf. [Pianoforte], Fünfte Sammlung, op. 15: http://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00217576/JLM_1823_0630.tif
Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, August 1823, Heft 71, S. 588

François-Joseph Fétis (1784–1871)
François-Joseph Fétis (1784–1871)
Eitner, Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon 1959
Eitner, Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon 1959
Friederike Bethmann-Unzelmann (1760–1815)
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